Bindungsangst – ein Wort, das in vielen Partnerschaften wie ein stiller Mitbewohner mit am Tisch sitzt. Vielleicht hast du selbst das Gefühl, dich immer wieder zu verlieben, aber dann plötzlich Rückzug, Zweifel oder sogar Angst vor Nähe zu spüren. Vielleicht betrifft es deine Partnerin oder deinen Partner – und du fühlst dich hilflos, weil du einfach nur Liebe und Vertrauen willst.
Ob du gerade mitten in einer Beziehung steckst oder versuchst, alte Verlustängste zu verstehen: In diesem Artikel findest du Antworten. Wir sprechen über Ursachen, Symptome und den gesunden Umgang mit Bindungsphobie, zeigen auf, warum Kindheit, Eltern, Prägungen und vielleicht auch vergangene Affären so viel mit deinem heutigen Verhalten zu tun haben – und was dir wirklich helfen kann.
Das Wichtigste in Kürze:
Erfahre, was Bindungsangst wirklich ist – und warum sie laut Experten wie Ramón Schlemmbach eher ein Symptom als eine Diagnose ist.
Verstehe, wie Kindheitsprägungen, Verlust, emotionale Unsicherheit und Erfahrungen mit den Eltern deine Bindung in der Partnerschaft unbewusst beeinflussen.
Entdecke, wie sich Bindungsphobie im Alltag zeigt – etwa durch Rückzug, Streit oder die Angst, sich selbst zu verlieren.
Finde heraus, wie Therapie, Trainings und Selbstreflexion dir helfen können, gesündere Beziehungen zu führen – mit echter Nähe, Klarheit und Verbindung.
Was ist Bindungsangst?
Bindungsangst beschreibt die Angst vor echter Nähe, Verbindlichkeit und emotionaler Abhängigkeit – und sie kann Männer wie Frauen betreffen. Oft ist sie nicht auf den ersten Blick erkennbar, denn sie tarnt sich als Freiheitsdrang, kritischer Blick auf den Partner oder das ständige Gefühl: „Irgendwas fehlt.“
Was viele nicht wissen: Die Ursachen liegen meist nicht in der aktuellen Beziehung, sondern viel tiefer – in der Kindheit, in früheren Verletzungen oder in unbewussten Glaubenssätzen.
Bindungsangst – warum das Label oft mehr schadet als hilft
Kaum ein Begriff wird in Beziehungsfragen so schnell und so oft verwendet wie dieser. Ob auf Social Media, in Ratgebern oder im Gespräch mit Freundinnen – wer Schwierigkeiten mit Nähe hat, bekommt schnell den Stempel „bindungsängstlich“ verpasst. Doch was ist eigentlich dran an diesem Begriff? Gibt es „Bindungsangst“ wirklich? Und wie sinnvoll ist es, Menschen in diese Schublade zu stecken?
Psychologe Ramón Schlemmbach sagt dazu ganz klar: „Vorsicht mit diesem Label.” In seinem Video erklärt er, warum Bindungsangst kein offiziell anerkanntes Störungsbild ist, weshalb das Etikett oft eher blockiert als hilft – und wie wir Beziehungsängste wirklich verstehen und verändern können.
- Bindungsangst: Ein populärer Begriff ohne wissenschaftliche Grundlage
Viele glauben, dass „Bindungsangst“ ein psychologisches Diagnosekriterium ist – doch dem ist nicht so. In keinem der großen medizinisch-psychologischen Klassifikationssysteme wie dem DSM-5 oder der ICD-11 taucht der Begriff auf.
Das bedeutet: Bindungsangst ist kein offiziell anerkanntes Störungsbild.
Seinen Ursprung hat der Begriff vielmehr in der populären Literatur – etwa im Buch Men Who Can’t Love (1987) von Steven Carter. Das ist per se nichts Schlechtes. Neue Begriffe entstehen oft außerhalb wissenschaftlicher Kontexte. Aber: Wenn wir etwas nicht wissenschaftlich klar definieren können, sollten wir vorsichtig sein, es als Störung zu bezeichnen.
- Warum das Label „Bindungsangst“ problematisch sein kann
Wer eine andere Person (oder sich selbst) als „bindungsängstlich“ bezeichnet, steckt sie in eine Schublade – und macht sich so selbst handlungsunfähig. Denn wenn „er halt einfach Bindungsangst hat“, scheint die Situation festgefahren. Stattdessen schlägt der Psychologe Ramón folgende Sichtweise vor.
Ramón erklärt: Meist steckt hinter dem Begriff etwas anderes – eine ganz konkrete Angst, die jemand in sich trägt. Und genau das ist entscheidend: Wer verstehen will, warum Nähe schwierig ist, muss hinter das Etikett schauen.
- Was steckt wirklich hinter Bindungsangst? Beispiele aus der Praxis
Hinter einer vermeintlichen „Bindungsangst“ können viele ganz unterschiedliche Erfahrungen und Ängste stecken:
Angst vor dem Verlassenwerden (z. B. nach früherem Liebesverlust)
Angst, sich wieder selbst zu verlieren (z. B. nach einer dominanten Beziehung)
Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen (z. B. aufgrund elterlicher Scheidungen)
Angst, nicht gut genug zu sein (z. B. durch Prägungen aus der Kindheit)
Diese Ängste sind hoch individuell und meist erlernt – durch konkrete Erlebnisse oder wiederholte Glaubenssätze. Wer z. B. erlebt hat, dass Beziehungen wehtun, kann daraus ableiten: „Nähe ist gefährlich“ – auch wenn diese Überzeugung unbewusst wirkt.
- Warum das Label Bindungsangst oft unsere Entwicklung blockiert
Das eigentliche Problem am Begriff „Bindungsangst“ ist nicht nur seine Unschärfe – sondern die Wirkung. Wer sich selbst so bezeichnet, macht die Sache oft größer als sie ist. Ein Label wirkt wie ein fixer Stempel: „Ich habe das – also ist es schwer, da rauszukommen.“
Doch wenn man stattdessen sagt: „Ich habe Angst, betrogen zu werden.“ oder „Ich fürchte, mich wieder selbst zu verlieren.“, entsteht ein ganz anderer Zugang: konkret, greifbar und veränderbar.
- Wie du Beziehungsängsten auf den Grund gehst und veränderst
Der wichtigste Schritt ist laut Ramón: Mach’s konkret. Frag dich nicht: „Habe ich „Bindungsstörungen?“, sondern:
Wovor genau habe ich Angst?
Wo habe ich diese Angst gelernt?
Was will ich stattdessen erleben?
Veränderung beginnt immer bei der Ursache, nicht beim Etikett.
Ursachen und Symptome von Bindungsangst
Wenn wir von Bindungsangst sprechen, meinen wir meist das Verhalten: Rückzug, Unverbindlichkeit, Angst vor Nähe. Doch laut Ramón Schlemmbach ist Bindungsangst nicht die eigentliche Ursache, sondern nur das Symptom. Dahinter steckt fast immer eine andere, tiefere Angst.
Diese Ängste wurzeln oft in der Vergangenheit – etwa in emotional unsicheren Bindungserfahrungen in der Kindheit, in widersprüchlichem Erziehungsverhalten, in Überforderung, Vernachlässigung oder dem Gefühl, nie wirklich sicher gewesen zu sein. Auch die sogenannte Verlassenheitsprägung oder ein tief verankerter Unzulänglichkeitsglaube („Ich bin nicht genug“) können den Boden für spätere Beziehungsängste bereiten.
Typische Symptome von Bindungsangst
Wer unter Bindungsangst leidet, zeigt oft wiederkehrende Muster – etwa:
Furcht vor Nähe und Intimität
Rückzug, sobald es emotional ernst wird
Überbetonung von Unabhängigkeit
plötzlicher Beziehungsabbruch ohne klaren Grund
das Gefühl, den Partner „nicht gut genug“ zu finden
das Bedürfnis, Beziehungen zu sabotieren, bevor sie tiefer werden
Was dabei häufig übersehen wird: Diese Reaktionen sind Schutzstrategien, keine Charaktereigenschaften. Sie dienen dazu, alte Verletzungen zu vermeiden – oder zumindest das Risiko dafür zu verringern. Das ist die gute Nachricht, denn so sind sie nicht in Stein gemeißelt. Wenn der Grund weg ist, weswegen wir uns “schützen” müssen (z.B. falsche Glaubenssätze), dann braucht es kein Schutzverhalten mehr.
💡 Lass uns gemeinsam herausfinden, was wirklich hinter deiner Beziehungsangst steckt.
Im Coaching „Geprägt! Aber richtig“ helfen wir dir, die wahren Auslöser zu erkennen – und genau dort anzusetzen, wo alte Muster entstanden sind. Für Beziehungen mit mehr Vertrauen, Nähe und Sicherheit.